Heimatverein Schildesche

An jedem ersten Samstag im Monat

Führung durch den historischen Ortskern

Treffpunkt Portal Stiftskirche, 11:30 Uhr

Kostenbeitrag 5 .- €,

Dauer ca. 1,5 Stunden  

Anmeldungen sind nicht erforderlich.

Zum Jahre 1810 notierte der Chronist folgendes; mit der Bezeichnung „Nervenkrankheit“ ist vermutlich Typhus gemeint.

Die Nervenkrankheit hat in diesem Jahre verschiedene weggerafft, und selbst der Chirurgus Steffen laborirte an derselben und musste sich nach Bielefeld in die Cur des Doctor Beckhaus begeben.
Am 19ten Juni wurden mehre Kinder von einem tollen Hunde gebissen, wovon aber keine nachtheilige Folgen entstanden sind. Der Hund wurde bald nachher todt geschlagen.
Der Garn- und Linnenhandel hat sich etwas gebessert; es fehlte den Webern und Spinnern nur noch zu sehr das nothwendige Material.

Die Witterung war in der Ärnte sehr günstig, der Roggen gut, Flachs, Gerste, Hafer und der zweite Graswuchs in den Wiesen mittelmäßig; der erste Wuchs aber und der Waizen schlecht gerathen.
Im Mai fiel ein ungewöhnlich starker Hagel, wovon die einzelnen Schlossen(?) die Dicke einer Flintenkugel hatten; derselbe hat jedoch keinen bedeutenden Schaden angerichtet. Im Herbste war eine solche anhaltende Dürre, wie sich die ältesten Leute kaum einer ähnlichen erinnerten.

in sehr gefährlicher Verbrecher Namens Johann Henrich L., der zu lebenswieriger Zuchthausstrafe, Staupenschlag und Brandmark verurtheilt und aus dem Zuchthause zu Herford entsprungen war, wurde von dem Maire Lampe mit Zuhülfenehmung hinlänglicher Schütten am 5ten Juni wieder aufgefangen und an das betreffende Zuchthaus zurück geliefert. Kurz nachher ist genannter Verbrecher aus dem Gefängnisse zu Bielefeld, wo er zur weitern Untersuchung verhaftet saß, wieder entsprungen, ohne daß man ihm hat auf die Spur kommen können.

Eben so ist auch in demselben Monat ein des Leinendiebstahls dringend verdächtiger Mensch, Namens Conrad Dietrich Lo., in dem Augenblick ertappt, wo er im Begriffe stand, gestohlne Leinwand zu verkaufen.

Er wurde zur vorläufigen Untersuchung im hiesigen Spritzenhause verwahrt, aus welchem er aber kurz nach seiner Festsetzung entsprungen, jedoch sehr bald wieder eingefangen und zur weitern Untersuchung dem Districts-Tribunal zu Bielefeld überliefert worden ist.
Im September waren 4 Compagnien des 6ten Westphälischen Linien-Infanterie Regiments auf ihrem Marsche von Osnabrück nach Cassel vom 11ten auf den 13ten hier einquartirt, und haben sich in ihrem Quartieren sehr ungebührlich und anmaaßend betragen.

Im Jahre 1810 häuften sich Straftaten in Schildesche. Diese werden damals sicherlich viel Gesprächsstoff im Ort geliefert haben. Eine materielle Bedrückung der Bürger stellten die häufigen Einquartierungen von militärischen Einheiten dar, mussten Soldaten und Pferde doch stets mit Proviant versorgt werden.
Im Jahre 1810, kurz vor Weihnachten, wurde das Damenstift in Schildesche aufgelöst. Rechtlich war das nach dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 möglich, wurde aber erst in diesem Jahre von der französischen Regierung exekutiert. Die gesamten Besitzungen und Rechte des Stifts wurden veräußert und die Erlöse flossen in die öffentlichen Kassen, nicht zuletzt, um die Feldzüge Napoleons damit zu finanzieren. Für die Schildescher war die Auflösung des seit dem Jahre 939 bestehenden Stiftes sicherlich ein grundstürzendes Ereignis:

Im gegenwärtigen Jahre wurde das hiesige Damenstift durch den Königlich Westphälischen Commissarius Beneke aus Cassel aufgehoben. Die Damen, der Amtmann, der Rentmeister und der Stifts-Diener wurden pensionirt. Die Geistlichen, welche vom Stift Revenuen bezogen, erhielten Entschädigungs-Gehälter. Die bisherigen Revenuen des Stifts zog der Staat zu sich.

Das Schulgeld durfte in diesem Jahre, auf Befehl des Präfecten Delius zu Osnabrück, nicht mehr von den Schullehrern gehoben werden, sondern solches geschah durch den Gemeinde-Kassen-Rendanten gegen 2 pro cent Hebegebühre.

Die Abschrift erfolgte getreu dem Original.